Microtargeting in Deutschland und Europa

Landesanstalt für Medien NRW veröffentlicht Forschungsmonitor und Studie zu personalisierter politischer Kommunikation in sozialen Netzwerken

Microtargeting ist seit der erfolgreichen Anwendung in den letzten amerikanischen Präsidentschaftswahlkämpfen von Barack Obama oder Donald Trump nicht nur in den USA, sondern auch darüber hinaus von großer Bedeutung für die Online-Kommunikation. Eng ausgewählte Gruppen von Menschen werden gezielt angesprochen und die gewünschte (Werbe-)Botschaft genau auf sie und ihre Interessen abgestimmt. So gelingt es, digitale Kommunikation trotz der begrenzten Ressourcen der Öffentlichkeitsarbeit so effizient und effektiv wie möglich einzusetzen.

„Vor allem bezogen auf politische Botschaften hat diese Kommunikationsstrategie jedoch zur Folge, dass die Grenzen zwischen politischer PR, politischer Werbung und journalistischen Inhalten für Rezipienten in sozialen Netzwerken zunehmend verschwimmen. Dies birgt mitunter Gefahren für unsere Demokratie, denn sie beruht auf Interessensbündelung und -ausgleich. Die Personalisierung der Inhalte kann dazu führen, dass es im Digitalen keine allgemeine politische Öffentlichkeit mehr gibt. Politische Akteure haben die Möglichkeit, individuelle Wahlversprechen zu produzieren und fördern somit die Existenz unterschiedlicher digitaler Realitäten“, urteilt Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW.

Aktuell ist der Forschungsstand in diesem Themenbereich in Deutschland und Europa im Vergleich zu den USA ausbaufähig. Eine mögliche Ursache dafür könnte in der wesentlich schlechteren Datenzugänglichkeit liegen. Außerdem gibt es bisher kaum Erkenntnisse zur Wirkung und damit zum Manipulationspotential von Microtargeting. Vor diesem Hintergrund hat die Landesanstalt für Medien NRW bereits im Februar den unabhängigen Think Tank iRights.Lab mit der Erstellung eines Monitorings beauftragt. Das Papier gibt einen fundierten Überblick zum hiesigen Stand der Forschung und zeigt deren Lücken auf.

Eine der Forschungslücken aufgreifend hat die Landesanstalt für Medien NRW außerdem gemeinsam mit den Landesmedienanstalten aus Berlin / Brandenburg (mabb), Bayern (BLM) und Rheinland-Pfalz (LMK) anlässlich der Europawahl im Mai ein Forschungsprojekt gestartet. Zentrale Fragen waren, welche Relevanz das Thema hierzulande hat und inwiefern neben der Regulierung politischer Werbung in den klassischen Massenmedien auch Regelungsbedarf bei sozialen Medien besteht. Dazu ist Prof. Dr. Simon Hegelich von der TU München mit seinem Kollegen Juan Carlos Medina Serrano der Relevanz politischer Werbung – und speziell: Microtargeting – in Deutschland nachgegangen.

Zur Analyse von Microtargeting in Deutschland bei der Europawahl 2019 hatten die Forscher Zugang zu den Werbearchiven von  Facebook und Google. Ausgewertet wurde, wieviel bezahlte politische Werbung von welcher Partei gebucht und nach welchem Prinzip diese ausgespielt wurde. Grundsätzlich lässt sich anhand der Daten erkennen: In Deutschland spielt Microtargeting noch eine untergeordnete Rolle. Weitere Ergebnisse im Detail: Die CDU hat mit knapp 560.000 Euro, ungefähr zu gleichen Teilen aufgeteilt auf Facebook und Google, mit Abstand das meiste Geld in politische Werbung investiert und genau wie die anderen Parteien eine Microtargeting-Strategie verfolgt. Die AfD hingegen hat mit nur ca. 45.000 Euro, ungefähr zu gleichen Teilen auf­geteilt auf Facebook und Google, am wenigsten investiert und kein Microtargeting betrieben.

Hohe Reichweiten werden indes vor allem mit nicht als Anzeigen gebuchten politischen Botschaften erzielt, bei denen die Grenze zwischen Werbung und Information für den Betrachter zunehmend verschwimmt. Insbesondere diese Form der politischen Kommunikation gilt es nun, näher auf ihre Inhalte und Mechanismen hin zu untersuchen und gegebenenfalls in eine Regulierung einzubeziehen. Weitere Analysen zeigen, dass die AfD zehnmal so viel Interaktion und damit eine viel größere organische Reichweite in den sozialen Netzwerken erzielt hat als die anderen Parteien. Angesichts dieser Ergebnisse stellt sich die Frage, ob ihr Erfolg durch authentisches Nutzerverhalten erklärt werden kann.

Sowohl der Forschungsmonitor als auch die Studie stehen Ihnen hier zum Download zur Verfügung.