Die journalistischen Sorgfaltspflichten in Rundfunk und Telemedien
Welche Standards gelten für welche Anbieterinnen und Anbieter?
Wer in Rundfunk oder Internet journalistisch arbeitet, kann nicht einfach publizieren, was und wie er möchte, sondern muss sich unter bestimmten Voraussetzungen an journalistische Standards halten. Denn nur Angebote, die den Eindruck erwecken, dass Tatsachen umfangreich recherchiert und dabei verschiedene Informationsquellen verwendet wurden, haben bei Nutzenden einen besonderen „Glaubwürdigkeitsbonus“. Mit der Verpflichtung zur Einhaltung journalistischer Mindeststandards soll sichergestellt werden, dass solche Angebote nicht nur einen professionellen Anschein machen, sondern diesem auch in gewissem Maße gerecht werden.
Kommt es zu einem Verstoß gegen die journalistischen Sorgfaltspflichten, sind die Medienanstalten dazu ermächtigt, Maßnahmen gegen das betroffene Angebot zu ergreifen. Das bedeutet zum Beispiel, dass sie nach einem förmlichen Anhörungsverfahren einzelne Inhalte beanstanden und untersagen können.
Wer muss die journalistischen Sorgfaltspflichten beachten?
Rundfunkanbieter
- Gemäß § 6 Abs. 1 Medienstaatsvertrag (MStV) haben Berichterstattung und Informationssendungen im Rundfunk (v.a. TV und Radio) den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen.
- Nicht unter diese Regelung fallen dagegen reine Unterhaltungssendungen oder fiktive Inhalte.
Telemedienanbieter
Nach § 19 Abs. 1 S. 2 Medienstaatsvertrag (MStV) haben geschäftsmäßig angebotene, journalistisch-redaktionell gestaltete Telemedien, in denen regelmäßig Nachrichten oder politische Informationen verbreitet werden, den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen.
- Geschäftsmäßig ist ein Angebot bereits dann, wenn es für eine langfristige nachhaltige Nutzung angelegt ist und sich nicht auf einen Einzelfall beschränkt. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich! So ist etwa bei Social-Media-Angeboten mit einer gewissen Followerzahl eine Geschäftsmäßigkeit vorauszusetzen, da diese Angebote keiner rein privaten Nutzung mehr dienen.
- Journalistisch-redaktionell gestaltet sind Angebote, deren Inhalte aktuelle Themen betreffen und die vom Anbieter ausgewählt und bearbeitet werden. Sie werden kontinuierlich aktualisiert und dienen erkennbar der Teilhabe am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung. In der Regel richten sich solche Angebote an eine breite Zielgruppe.
- Regelmäßig bedeutet, dass die Inhalte fortlaufend, nicht notwendig schematisch, aktualisiert werden. Insoweit ist etwa eine zwischenzeitliche Pausierung der Bereitstellung neuer Inhalte irrelevant.
- Nachrichten sind alle Informationen, die sich auf Tatsachen beziehen, sofern sie potenziell geeignet sind, sich auf die öffentliche Meinungsbildung auszuwirken.
- Politische Informationen sind Inhalte, die für die Öffentlichkeit – oder zumindest Teile von ihr – von Bedeutung sind. Politische Informationen liegen insbesondere dann vor, wenn es um Themen geht, die geeignet sind, auf die politische Meinungsbildung Einfluss zu nehmen. Sie müssen nicht notwendig Bezug zu staatlichem Handeln aufweisen.
Von der Regelung des § 19 Abs. 1 S. 2 MStV nicht erfasst sind in der Regel private Social-Media-Accounts, Unternehmenswebseiten oder Angebote, die der Selbstdarstellung des Anbieters dienen.
Auch Angebote der klassischen Presse sind gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Medienstaatsvertrag (MStV) an die journalistischen Sorgfaltspflichten gebunden. Für ihre Überprüfung sind die Landesmedienanstalten aber nicht zuständig. Gleiches gilt für Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder solche, deren Anbieter sich dem Deutschen Presserat e.V. angeschlossen haben.
Was sind die Anforderungen an die "journalistische Sorgfalt"?
Hierbei sind zwei Dinge zentral: Die Menschenwürde anderer muss gewahrt und die Persönlichkeitsrechte Betroffener geachtet werden. Zudem besteht die Pflicht zur sorgfältigen Recherche sowie zur Bemühung einer wahrheitsgemäßen und verantwortungsvollen Darstellung der gewonnen Erkenntnisse.
1. Wahrung der Menschenwürde sowie Achtung von Persönlichkeitsrechten
Das umfasst vor allem diese Pflichten:
- Keine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt und Leid
- Besondere Zurückhaltung bei der Recherche gegenüber schutzbedürftigen Personen
- Besonderer Schutz der Identität von Opfern
- Einhaltung der Grundsätze der Verdachtsberichterstattung
2. Pflicht zur sorgfältigen Recherche sowie einer um Wahrheit bemühten Wiedergabe der Rechercheergebnisse
Das umfasst vor allem diese Pflichten:
- Überprüfung der Informationsquelle
- Keine Dekontextualisierung oder Sinnverfälschung
- Kenntlichmachung von unbestätigten Meldungen
- Korrekte Quellenangaben
- Unverfälschte Wiedergabe von Zitaten
- Wiedergabe von Meinungsumfragen mit ausdrücklicher Angabe zu ihrer Repräsentativität
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