Studie zur Radikalisierung in sozialen Medien
Junge Menschen mit Erfahrungen von Ausgrenzung und Rassismus müssen besser vor Radikalisierungsversuchen geschützt werden
Soziale Netzwerke sind öffentliche Räume, in denen sich Unterhaltung, Meinung und Information ungefiltert vermischen. Besonders junge Menschen verbringen viel Zeit in dieser Umgebung. Dabei können sie auch auf Inhalte stoßen, die radikalisierend wirken können. Die Studie "Digitale Grauzonen: Radikalisierungspotentiale von islamistischen Videos und Kommentarspalten" im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW zeigt jetzt: Islamistische Content Creator adressieren gezielt junge Menschen, die gesellschaftliche Ausgrenzung erfahren haben. In ihrer Studie haben die Forschenden Videobeiträge auf TikTok und YouTube mit potenziell radikalisierenden Inhalten sowie 1.440 dazugehörige Kommentare ausgewertet und 53 Fachkräfte aus der Islamismusprävention befragt.
Vertrauensaufbau über geteilte Ausgrenzungserfahrungen – Radikalisierung in den Kommentaren
Die in der Studie untersuchten Social-Media-Videos zeigen: Der Zugang zu extremistischen Inhalten erfolgt oft über emotional aufgeladene Darstellungsweisen, die die Lebenswirklichkeit von Jugendlichen abbilden. Gesellschaftlicher Rassismus und Ausgrenzungserfahrungen werden gezielt thematisiert, um Vertrauen aufzubauen und ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu erzeugen. Während in den Videos zwar teilweise radikale, aber keine illegalen Aussagen zu finden sind, eskalieren die Diskussionen in den Kommentarspalten oft in rechtswidrige Äußerungen – häufig ohne einen direkten inhaltlichen Zusammenhang zu den Videos aufzuweisen. So werden in den Kommentaren häufig weltanschauliche Konflikte zwischen Nutzergruppen auf aggressive und polarisierende Art ausgetragen.
Zudem versuchen Extremisten in den Kommentarbereichen, Nutzende in verschlüsselte Chatgruppen auf WhatsApp oder Telegram zu locken. Die Forschenden sehen in den Kommentarspalten eigene Problemräume, in denen sich teilweise Nutzende unterschiedlicher extremistischer Strömungen gänzlich unmoderiert gegenüberstehen. Mögliche Rechtsverstöße, die in diesem Zusammenhang begangen werden – wie volksverhetzende Äußerungen oder die Veröffentlichung verfassungsfeindlicher Symbole – werden von den Medienanstalten in Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden zur Anzeige gebracht. Damit sich radikalisierende Botschaften gar nicht erst verbreiten, sehen die Forschenden auch die Plattformen in der Verantwortung, die Verbreitung illegaler und demokratiegefährdender Botschaften wirksam einzudämmen.
„Demokratie ist ein Werben um Ideen – das schließt auch radikale Positionen ein, die dem Wesen der Demokratie entgegenstehen. Deswegen reicht es nicht aus, junge Menschen vor Manipulation zu warnen. Wir als Gesellschaft müssen sie und ihre Themen ernst nehmen. Das dürfen wir nicht den Extremisten überlassen. Gleichzeitig müssen wir endlich die Plattformen dahin bringen, ihre Verantwortung für die freie Gesellschaft zu übernehmen, die ihre eigene Existenz erst ermöglicht. Durch den Abbau von Moderationsteams werden der Hass und die demokratiefeindlichen Äußerungen unter solchen Videos – und damit die Radikalisierung junger Menschen – jedenfalls nicht geringer“, sagt Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW.
Den Ergebnisbericht der Studie sowie ein Factsheet mit den zentralen Aussagen der Studie finden Sie hier zum Download:
- Islamistische Radikalisierung | Factsheet [pdf, 545 KB]
- Islamistische Radikalisierung | Vollständige Studie [pdf, 1 MB]
Prävention vor Radikalisierung
Damit radikalisierende Botschaften in sozialen Netzwerken bei jungen Menschen nicht verfangen, müssen Eltern, Lehrkräfte, aber vor allem auch junge Menschen selbst über die Gefahren von Online-Radikalisierung aufgeklärt werden. So muss auch in der Prävention der Blick nicht nur auf die Inhalte selbst gelegt werden, sondern auch die Beiträge von Nutzenden in den Kommentaren Berücksichtigung finden.
Die Landesanstalt für Medien NRW hat daher das Thema „Radikalisierung im Internet“ als Schwerpunktthema in die Ausbildung ihrer Medienscouts aufgenommen.
Zudem führt die Landesanstalt für Medien NRW regelmäßig Elternabende durch, um auch Eltern dafür zu sensibilisieren, dass ihre Kinder solche Inhalte wahrnehmen, und um ihnen Unterstützung im Umgang mit diesem Thema zu geben. Schulen und andere Bildungseinrichtungen können ihren Elternabend der Landesanstalt für Medien NRW zu diesem Thema hier buchen: www.elternundmedien.de
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