17.06.2025

Ungleiche Bedingungen im Wettbewerb um Aufmerksamkeit?

Gutachten der Landesanstalt für Medien NRW beleuchtet regulatorische Schieflage zwischen linearen und nichtlinearen Medien

  • Lineare Medien stärker reguliert und tragen deutlich mehr Auflagen.
  • Medienvielfalt unter Druck: Die Ungleichbehandlung kann langfristige Auswirkungen auf lokale Berichterstattung und publizistische Vielfalt haben.
  • Telemedien im Vorteil: Nichtlineare Anbieter wachsen – bei deutlich weniger Regulierung.

Lineare Medienangebote sind gegenüber Telemedien stärker reguliert. Das hat Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen. Zu diesem Schluss kommt das von der Landesanstalt für Medien NRW in Auftrag gegebene juristische Gutachten „(Un-)Level Playing Field im Medienbereich“ von Prof. Dr. iur. Ralf Müller-Terpitz (Universität Mannheim). Ziel der Analyse war es, zu prüfen, ob im aktuellen regulatorischen Rahmen gleiche Wettbewerbsbedingungen – ein sogenanntes „Level Playing Field“ – zwischen linearen und nichtlinearen Medien bestehen. Das Ergebnis: In der Gesamtheit der regulatorischen Maßnahmen herrscht derzeit ein Ungleichgewicht zu Ungunsten linearer Medienangebote – mit potenziellen Auswirkungen auf die Medienvielfalt. Diese zu bewahren erfordert aus Sicht der Medienanstalt NRW ein ausgewogenes Level Playing Field, denn ohne faire Rahmenbedingungen droht bestimmten Mediengattungen langfristig das Aus.

Regulatorische Lasten: Lineare Medien strukturell benachteiligt

„Dieses Gutachten ist für uns ein notwendiger Schritt, um die medienpolitische Lage differenziert einzuordnen. Für uns als Landesanstalt für Medien NRW ist klar: Wenn wir Medienvielfalt und fairen Wettbewerb sichern wollen, müssen die bestehenden Rahmenbedingungen auch auf europäischer Ebene weiterentwickelt werden. Wer mehr und mehr Einfluss hat und diesen auch monetarisiert, muss auch mindestens das gleiche Maß an Pflichten und Verantwortung übernehmen. Das ist bei den großen internationalen Plattformen und Streamingdiensten aktuell in vielen Feldern nicht der Fall. Die Analyse liefert dafür eine fundierte Grundlage und wichtige Impulse für die laufende medienpolitische Debatte“, sagt Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW.

Das Gutachten stellt fest, dass insbesondere private Rundfunkanbieter im Vergleich zu Anbietern von nichtlinearen Angeboten wie sog. Streaming-Plattformen bzw. Mediatheken, Video-Sharing-Plattformen oder sozialen Netzwerken erheblich stärker reguliert werden. Besonders ins Gewicht fallen dabei werbebezogene Beschränkungen, Zulassungspflichten sowie Maßnahmen zur Vielfaltssicherung (bspw. das Medienkonzentrationsrecht). In dem Gutachten wird festgestellt, dass diese teils gravierenden regulatorischen Rahmenbedingungen nicht durch regulatorische Vorteile ausreichend kompensiert werden. 

Ein weitgehend ausgeglichenes Verhältnis des regulatorischen Rahmens gilt insbesondere im Bereich des Jugendschutzes, da für Rundfunk und rundfunkähnliche Telemedien dieselben gesetzlichen Vorgaben gelten.

Auswirkungen auf die Medienvielfalt: Strukturelle Verzerrung mit Folgen

Die Untersuchung hebt hervor, dass die regulatorische Schieflage langfristig Auswirkungen auf die Medienvielfalt haben kann. Lineare Medien, die traditionell eine wichtige Rolle bei der (insb. auch regionalen und lokalen) Berichterstattung sowie bei der Sicherung publizistischer Vielfalt spielen, geraten zunehmend unter wirtschaftlichen Druck. Ihre strukturelle Benachteiligung könnte dazu führen, dass gerade solche Angebote verschwinden, die für eine ausgewogene Meinungsbildung besonders relevant sind.

Nichtlineare Anbieter hingegen unterliegen deutlich geringeren Auflagen, obwohl sie besonders in jüngeren Zielgruppen bereits eine dominierende Rolle beim Medienkonsum einnehmen. Diese Asymmetrie kann laut Gutachten dazu führen, dass sich die mediale Landschaft weiter zugunsten globaler Plattformen verschiebt – mit potenziellen Folgen für journalistische Standards und die Vielfalt der Perspektiven.

Rechtliche Einordnung und Perspektiven

Das Gutachten analysiert auch bestehende europäische und nationale Regelungen und zeigt auf, an welchen Stellen aus juristischer Sicht Anpassungsbedarf bestehen könnte. Dabei wird unter anderem die Rolle der AVMD-Richtlinie, das Herkunftslandprinzip sowie die Plattform- und Intermediärsregulierung beleuchtet. Auch mögliche Kooperationsmodelle zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Anbietern sowie alternative Finanzierungsansätze werden diskutiert.

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Frage, wie sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für klassische Medienangebote angesichts der Dominanz datengetriebener Plattformen und des zunehmenden Einsatzes von Künstlicher Intelligenz verändern. Das Gutachten verweist auf internationale Modelle wie die australische „Bargaining-Lösung“ oder eine Digitalsteuer nach österreichischem Vorbild als denkbare Ansätze, die in diesem Zusammenhang relevant sein könnten.

Das Gutachten sowie ein Executive Summary können Sie hier herunterladen: